Während die schwarz-gelbe Koalition bereits in ihren warmen Sesseln im Plenarsaal Platz genommen hatte, stand die SPD-Bundestagsfraktion draußen auf der Straße und umzingelte gemeinsam mit rund 2000 Demonstranten das Kanzleramt. Mit einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert haben Atomkraftgegner gegen die geplante Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke protestiert.
Anlässlich der Abstimmung im Bundestag über das Atomgesetz forderten die Demonstranten die Abgeordneten am Donnerstag in Sprechchören und auf Transparenten auf, am Ausstieg aus der Atomkraft festzuhalten. An der rund ein Kilometer langen Menschenkette beteiligten sich nach Veranstalterangaben rund 2 000 Menschen. Die Polizei nannte keine Zahlen, erklärte aber, die Aktion sei friedlich zu Ende gegangen. Der Protest wurde initiiert vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), dem Kampagnennetzwerk Campact und den NaturFreunden Deutschlands.
SPD demonstriert auch mit einer Verfassungsklage gegen die Laufzeitverlängerung
Beteiligt waren ebenso die SPD inklusive Partei- und Fraktionsspitze, die Grünen, die Linke, Umweltschützer von Greenpeace, der Naturschutzbund Nabu und die Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte, die Sozialdemokraten protestierten nicht nur im Parlament, sondern auch mit einer Verfassungsklage gegen die Laufzeitverlängerung. „Und da rechnen wir uns auch gute Chancen aus.“
Zeitgleich nahm der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel auf der Treppe des Reichstags eine Petition des Kampagnennetzwerkes Avaaz mit über 170 000 Unterschriften gegen das Energiegesetz der Bundesregierung entgegen.
"Die Restlaufzeit ist maximal bis zur nächsten Bundestagswahl"
Zuvor räumte Gabriel der geplanten Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke keine Zukunft ein. Er sagte im ARD-„Morgenmagazin“, die heutige Bundestagsentscheidung sei keinesfalls historisch. „Die Restlaufzeit ist maximal bis zur nächsten Bundestagswahl“, sagte der SPD-Chef. Ein Großteil des Atomgesetzes werde am Bundesverfassungsgericht scheitern. „Der Bundesrat wird umgangen, obwohl Juristen und auch der Bundestagspräsident gesagt haben, ihr müsst den Bundesrat beteiligen.“
Durch die Laufzeitverlängerung werde der Ausbau neuer Energien "ausgebremst", kritisierte Gabriel. „Kein Mensch investiert in Windparks in der Nordsee, wenn er nicht weiß, ob er den Strom ins Netz kriegt.“ Seine Partei werde auf jeden Fall in Karlsruhe klagen.
Der Energieexperte des BUND, Thorben Becker, sagte, wenn der Bundestag „jetzt den Plänen der Bundesregierung zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken zustimmt, dient dies allein den Gewinninteressen der großen Stromkonzerne.“ Auf einem Protestplakat der Organisatiion stand: „Mit dem Feuer spielt man nicht, mit Atomstrom dealt man nicht, Frau Merkel, Herr Röttgen.“
Alix Faßmann • 28. Oktober 2010